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26. Januar 2024 I Briefing

Beschränkungen des Vorsteuerabzugs auf Transaktionskosten

Bär & Karrer Briefing Januar 2024

EINFÜHRUNG

Im Transaktionskontext fallen regelmässig signifikante Beraterkosten an, welche der Mehrwertsteuer unterliegen. Für eine Käufer- oder Verkäufergesellschaft ist eine umsichtige Planung nötig, um einen möglichst grossen Teil dieser MWST auf den Beraterkosten als Vorsteuer geltend machen zu können. Ein neuer Bundesgerichtsentscheid schafft hierbei neue Hürden. Das Bundesgericht hat sich in einem kürzlich ergangenen Urteil mit der Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs bei der Bezugsteuer (Mehrwertsteuer auf Dienstleistungsbezüge aus dem Ausland) unterliegenden Beraterleistungen im Zusammenhang mit der Veräusserung von Beteiligungen befasst. Demnach ist eine in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtige Person (in casu eine Holding) nur berechtigt, die deklarierte Bezugsteuer auf von ihr bezogenen Leistungen als Vorsteuer geltend zu machen, wenn diese Leistungen in einem Zeitraum erbracht wurden, in welchem die steuerpflichtige Person bereits selbst mehrwertsteuerpflichtig (hier: registriert) war. Das Bundesgericht stützte die von der ESTV vorgenommene pro-rata-temporis-Verteilung der Leistungen und verneinte damit den Vorsteuerabzug für die vor der Registrierung bezogenen Leistungen. Ebenso verneinte esdie Anwendung der Einlageentsteuerung bei Überführung von vorsteuerbelasteten Dienstleistungen in den mehrwertsteuerpflichtigen Bereich, da vorliegend nicht nachgewiesen werden konnte, dass die entsprechenden Leistungsbezüge nicht bereits bei Bezug verbraucht waren.

Obwohl sich das Urteil auf die Bezugsteuer bei einem Verkauf bezieht, dürften die daraus gezogenen Schlüsse nach Auffassung der Autoren grundsätzlich auch bei inländischen Dienstleistungen wie auch in Kaufsituationen angewendet werden.

Die rechtzeitige MWST-Registrierung von Käufer- oder Verkäufergesellschaften ist mit Blick auf die Möglichkeiten zum Vorsteuerabzug zentral. Ein Vorsteuerabzug auf bezogene Leistungen bzw. Transaktionskosten wird nur gewährt, wenn die bezogenen Leistungen (nachweislich) während vorhandener MWST-Pflicht der beziehenden Gesellschaft erbracht werden. Eine Einlageentsteuerung (d.h. ein nachträglicher Vorsteuerabzug auf dem sogenannten Zeitwert) scheint gemäss vorliegendem Entscheid bei bezogenen Beratungsleistungen nicht ohne Weiteres möglich

SACHVERHALT

Eine seit dem Jahr 2006 im Handelsregister eingetragene Holdinggesellschaft A veräusserte im Mai 2019 zwei Beteiligungen. Im Zusammenhang mit dem Verkauf hatte A (zusammen mit den weiteren Gesellschaftern) Verträge mit drei ausländischen Beratungsunternehmen geschlossen, und zwar den ersten im Jahr 2014 sowie die zwei weiteren im Jahr 2018. A hatte sich zum 1. April 2019 freiwillig als mehrwertsteuerpflichtig registriert.

Nach Abschluss des Projekts stellten die drei Beraterinnen zwischen dem 18. April 2019 und 4. Juni 2019 ihre Leistungen in Rechnung. A deklarierte darauf eine Bezugsteuer von rund CHF 71'000 und brachte gleichzeitig den Betrag als Vorsteuer zum Abzug.

Die ESTV verneinte den vollen Vorsteuerabzug und liess im Ergebnis nur einen Betrag von CHF 7'500 (rund 10.5%) zu. Nach Auffassung der ESTV seien sämtliche vor Eintragung von A im MWST-Register bezogenen Dienstleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die bezogenen Leistungen seien gleichmässig nach Massgabe der Zeitdauer der Verträge (pro rata temporis) zu verteilen, sofern die Daten der konkreten Leistungserbringungen nicht ausreichend dokumentiert sind.

A verlangte vor Bundesgericht den Vorsteuerabzug auf den aus dem Ausland bezogenen Dienstleistungen, soweit diese nach dem 1. April 2019 erbracht worden seien. Gemäss ihren Berechnungen sei entsprechend nur ein Betrag von CHF 13'000 nicht zum Vorsteuerabzug zuzulassen. Eventualiter sei die Einlageentsteuerung auf dem Zeitwert zu gewähren

ERWÄGUNGEN DES BUNDESGERICHTS

Beginn Steuerpflicht
Die Steuerpflicht beginnt mit der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit oder der Erklärung des Verzichts auf die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht, vorliegend per 1. April 2019. Eine steuerpflichtige Person hat die Möglichkeit, im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit die ihr in Rechnung gestellten Inlandsteuern oder von ihr deklarierten Bezugsteuern als Vorsteuern geltend zu machen. Zeitlich entsteht der Anspruch auf Abzug der Vorsteuer im Zeitpunkt des Empfangs der Rechnung. Gemäss der ESTV müssen die für den Vorsteuerabzug berechtigenden Leistungen einen Zeitraum betreffen, in dem die Person bereits subjektiv mehrwertsteuerpflichtig (inlandsteuerpflichtig) war. Dies wurde vor Bundesgericht nicht mehr bestritten.

Pro-rata-temporis-Verteilung
A war es vorliegend nicht gelungen, mit Projektzeitplänen oder anderen Beweismitteln ausreichend darzulegen, in welchem konkreten Zeitpunkt bzw. Zeitraum die konkreten Leistungen erbracht wurden und dass die von der ESTV vorgenommene Aufteilung (über den Leistungserbringungszeitraum von rund 89.5% vor der MWST-Registrierung) unhaltbar war. Entsprechend hat das Bundesgericht die Aufteilung der Leistungen pro rata temporis als verfassungsmässig gestützt. Mangels rechtsgenüglicher Mitwirkung der Steuerpflichtigen hinsichtlich der Aufklärung des genauen Zeitpunkts der Leistungserbringung sei die Schlussfolgerung der ESTV, eine pro-rata-temporis-Verteilung vorzunehmen, ein plausibler Ansatz gewesen

Einlageentsteuerung
Mit der Einlageentsteuerung kann grundsätzlich ein Vorsteuerabzug auf den verbleibenden Zeitwert von bezogenen Lieferungen oder Leistungen vorgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in Bezug auf diese Leistungen nachträglich eintreten. Ein typischer Anwendungsfall ist, wenn ein bisher nicht mehrwertsteuerpflichtig genutzter Gegenstand neu für mehrwertsteuerpflichtige Zwecke genutzt wird. Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Buchführung, Personalbeschaffung, Management und Werbung weisen jedoch gem. Art. 72 Abs. 2 MWSTV vermutungsgemäss keinen Zeitwert auf bzw. gelten als bereits im Zeitpunkt ihres Bezugs verbraucht. Zwar ist für die Ermittlung des Zeitwerts grundsätzlich eine konkrete Auslegung nach dem Buchführungsrecht vorzunehmen; nach Ansicht des Bundesgerichts stellt Art. 72 Abs. 2 MWSTV jedoch das speziellere Recht dar, welches "gewissermassen eine Pflicht zur Sofortabschreibung" kodifiziere. Somit handelt es sich nach Auffassung des Bundesgerichts um eine Abweichung von den grundsätzlichen Abschreibungsvorschriften, wobei es am Steuerpflichtigen liegt, die gesetzliche Vermutung von Art. 72 Abs. 2 MWSTV zu widerlegen. Die von A hiergegen vorgebrachten Einwände vermochten diese gesetzliche Vermutung nicht zu widerlegen. Daher lehnte das Bundesgericht die von A eventualiter beantragte Einlageentsteuerung (für die vor dem 1. April 2019 erbrachten Leistungen) ab.

Im Ergebnis erwies sich die Beschwerde nach Ansicht des Bundesgerichts in sämtlichen Punkten als unbegründet und wurde abgewiesen. Auch der Ansicht von A, dass gewisse Leistungen aufgrund des Erfolgshonorars (für den Verkauf der Beteiligungen) als ausgenommene Vermittlungsleistungen für MWST-Zwecke zu qualifizieren seien (und nicht als steuerbare Leistungen), folgte das Bundesgericht nicht.

WÜRDIGUNG & IMPLIKATIONEN

Weiterer Anwendungsbereich des Urteils
Der vorliegende Fall betraf zwar die Bezugsteuer auf Transaktionskosten (in Form von ausländischen Beraterkosten) auf Verkäuferseite. In der Praxis dürften die Schlussfolgerungen jedoch auch in verschiedenen weiteren, ähnlichen Konstellationen relevant sein und zur Anwendung gelangen. Die Ausführungen des Bundesgerichts dürften namentlich auch bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs von Akquisitionsgesellschaften und auf Inlandleistungen zu berücksichtigen sein.

Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften
Mit der MWST-Reform 2010 wurde sowohl die Option zur MWST-Pflicht für Holdinggesellschaften als auch der Vorsteuerabzug für ihre Tätigkeiten erleichtert, wovon Akquisitionsgesellschaften in der Schweiz regelmässig Gebrauch machen.

Insbesondere für Holdinggesellschaften besteht die Möglichkeit, sich durch Verzicht auf Befreiung freiwillig der Mehrwertsteuer zu unterstellen und den Vorsteuerabzug für Inlandsleistungen wie auch für die Bezugsteuer im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit geltend zu machen. Der Kauf bzw. Verkauf sowie die Verwaltung von Beteiligungen gilt ausdrücklich als unternehmerische Tätigkeit.

Implikationen für die M&A Praxis
Eine ggf. noch nicht MWST-pflichtige Verkäufergesellschaft sollte sich möglichst frühzeitig – idealerweise auf einen Zeitpunkt vor Bezug allfälliger Beraterleistungen – freiwillig im MWST-Register eintragen lassen. Eine Einlageentsteuerung auf vor dem Eintrag ggf. bezogenen Beratungsleistungen dürfte im Regelfall bei einem Verkauf schwierig zu begründen sein, jedoch kann allenfalls mit der Aufteilung der Leistungserbringung (nachweisliche Leistungen nach dem Zeitpunkt der Registrierung anstelle einer pro-rata-temporis-Verteilung) ein höherer Vorsteuerabzug erreicht werden. Ein solcher Nachweis sollte so genau wie möglich aufgrund eines konkreten Leistungsbeschriebs unter Angabe des genauen Datums (Timesheet) erbracht werden.

Eine Käufergesellschaft sollte möglichst frühzeitig gegründet und dann per Gründungsdatum im MWST-Register eingetragen werden. Sollten relevante mehrwertsteuerbelastete Aufwendungen vor Gründung bzw. MWST-Pflicht der Käufergesellschaft anfallen, wäre zu prüfen, ob diese mittels Vertragsübernahme (und möglicher Einlageentsteuerung) oder mittels Weiterverrechnung (z.B. gruppenintern) der Käufergesellschaft belastet werden sollten.

Eine Einlageensteuerung sollte je nach Dienstleistung und insbesondere bei handelsrechtlich auf die Beteiligung aktivierbaren Dienstleistungen nicht per se ausgeschlossen, aber angesichts der Ausführungen des Bundesgerichts nicht einfach zu belegen sein. Die Weiterverrechnung von Kosten durch Gruppengesellschaften, welche zunächst als Leistungsbezüger gegenüber den dritten Dienstleistungserbringern auftreten (als Leistungspaket mit einem anderen Leistungserbringungszeitraum) ist nicht in jedem Fall gewünscht und einzelfallabhängig. Angesichts der gesetzgeberischen Zielrichtung der MWST-Reform 2010 sollte u.E. der Vorsteuerabzug von ab der Gründung MWST-registrierten Akquisitionsgesellschaften nicht beschränkt werden und folglich auch auf Leistungen, welche vor der Gründung und Mehrwertsteuerregistrierung erbracht wurden, zugelassen werden. Ob dem die ESTV und das Bundesgericht in der Praxis folgen, bleibt abzuwarten.

FAZIT

Bei Transaktionen kann mittels richtiger Planung oftmals ein Grossteil der Mehrwertsteuer auf Beraterleistungen aus dem Inland oder auch Ausland (mit Bezugsteuer) als Vorzugssteuer geltend gemacht werden. Der rechtzeitigen bzw. frühzeitigen MWST-Registrierung von Käufer- oder Verkäufergesellschaften ist spezifische Beachtung zu schenken, um eine nicht rückforderbare MWST möglichst zu minimieren. Sodann sollte der Zeitpunkt der Leistungserbringung sinnvoll dokumentiert werden.

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